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18.6.06

Mein eigenes kleines Sommerloch (#1)

Nichts zur Tages- oder Epochenpolitik und erst recht nichts zur WM *brrr* (hoffentlich kann ich das durchhalten). Stattdessen gebe ich mal eine meiner liebsten Geschichten zum Besten, die man so schön in Richtung Verschwörung umdeuten kann ;-)

Es geht um
Bier, Kirche, das Recht auf Rausch und legale und illegale Wege dorthin.

Früher, also viel früher, da gehörte das Bierbrauen wie das Brotbacken und ähnliches zur Hausarbeit und war damit Sache der Frauen. Zu solchen Zeiten wußten auch und gerade die Frauen noch eine ganze Menge mehr über Kräuter und deren Wirkungen als heute noch bekannt ist.
Auch davon unabhängig waren die Anfänge der Braukunst von viel Experimentieren, Misserfolgen (die später dann auch noch den Brauhexen zugeschrieben wurden) und einer recht kreativen Zutatenliste geprägt. Hopfen war z.B. als Geschmackszutat noch gar nicht bekannt, stattdessen wurde das Bier mit Eichenlaub, Eichenrinde und anderen schmackhaften aber harmlosen, aber auch mit so unartigen Dingen wie Stechapfel und Bilsenkraut versetzt. Wie ein solches Gebräu eingeschlagen haben muss, kann man sich wohl bildlich vorstellen.

Im späten Mittelalter fielen dann mehrere Ereignisse wirkungsvoll zusammen. Die Klöster hatten, aus Gründen der Ernährung während der Fastenzeit, das Bierbrauen angefangen und perfektioniert, dabei auch in Männerhand überführt, und auch als Geldquelle entdeckt (die wurde ihnen allerdings später auch oft wieder genommen, als das Bier wegen der Beliebtheit auch als Steuerobjekt entdeckt wurde).
Das Reinheitsgebot für Bier wurde erlassen und verbot fortan andere Zutaten als die allseits bekannten Wasser, Malz und Hopfen (und Hefe, die war damals aber noch gar nicht bekannt).
Die Hexenverfolgungen des Mittelalters hatten außerdem die kräuterkundigen Frauen besonders betroffen und viel Wissen vernichtet.

Die Gründe für die Verfolgung dieser Frauen kann man nun relativ oberflächlich auf wütenden Mob zurückführen, oder man begibt sich auf glatteres Eis und zieht in Betracht, dass die medizinische und seelsorgerische Arbeit der Frauen, zum Beispiel als Hebamme, der Kirche als Konkurrenz ein Dorn im Auge war. Ganz zu schweigen von der Möglichkeit der Trance, die die inhaltsreicheren Biere mit sich brachten (von der hohen Kräuterkunde zeugen auch überlieferte Rezepte für die Hexensalben), wo doch der Gläubige als gehorsamer und steuerbarer Untertan seine Verzückung gefälligst nur auf amtlichem religiösen Wege erfahren sollte (auch hier: glatteres Eis).

So betrachtet gewinnen die harten Fakten von oben jedenfalls eine zweite interessante Bedeutung: Systematischer Ausbau des Herrschaftsmonopols der Kirche durch kontrollierte Herstellung eines berauschenden Getränks bei gleichzeitiger Ausschaltung der Konkurrenz (und ganz nebenbei noch Eliminierung einer potentiell wichtigen Rolle der Frauen, ganz am Rande).

Der Erfolg hält sich bis heute, Alkohol ist eine anerkannte Gesellschaftsdroge, immer noch tauglich für Brot und Spiele, während ungezählte andere Wege zur Ekstase/Trance oder auch banaler zum Rausch entweder in Vergessenheit geraten oder mit Verboten belegt sind (von kontemplativen Methoden mal ganz abgesehen, aber frei von Vorurteilen werden die auch nicht immer betrachtet). An die regelnde Stelle der Kirche sind Staat und Medien getreten, der Effekt bleibt immer noch der gleiche.

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