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30.10.06

Rückruf, Facelift, Modellpflege und abschweifende Gedanken

aho schreibt da so nett mit Marktvokabular über die Vorfälle rund um das bundesdeutsche Heer, da muss ich aber noch einen draufsetzen.

Mit einem bloßen Rückruf kann es da nicht mehr getan sein, das ganze Modell ist hoffnungslos veraltet und den modernen Anforderungen nicht mehr gewachsen. Ein Facelift oder Modellpflege ist das mindeste, was diesem Produkt schnellstens anzugedeihen hat.

Wobei mich an dem Konzept fast noch mehr interessiert, ob die Form der Vermarktung nicht an verbotene Kaltakquise grenzt. Man stelle sich ein Rudel Staubsaugervertreter vor, die mit der Weisung aus der Zentrale der Sauberkeit, mich vom Staube zu befreien, mein Wohnzimmer be... *räusper* ... befreien. In Bad und Küche führt Mr.Propper ein strenges Regiment und im Schlafzimmer wachen treusorgende kampferprobte Familienmütter über die rechte Aprilfrische.

In Zeiten von DRM & Co. fügt sich wildes Phantasieren schon fast zu einer Vision zusammen, die endlich alles Weltgeschehen einfach erklärt. Irgendwer produziert da ein Produkt, erklärt es zum absoluten Standard und die zu Feinden des Fortschritts, die es nicht oder zumindest nicht so wollen. Über das Produkt darf auch nicht frei verfügt werden, sondern der Hersteller erlässt genaue Regeln, wer wann wie welchen Nutzen davon haben darf. Jede Umgehung wird geahndet ...

9.10.06

Religion vs. Biologie

Aus Groß-Bruder-Land ist man die Meldungen ja inzwischen gewöhnt, dass landstrichweise eher zweifelhafte Lehrpläne an den Schulen verbreitet werden. Die Empörung kommt zwar verhältnismäßig spät - mir sind noch Berichte von Mitschülern im Ohr, die Mitte der 90er von derartiger Lehre erzählten - aber immerhin. Es geht nicht ganz unter und erntet wenigstens hochgezogene Augenbrauen.

Ich bin kein Freund der Kirchen, und erst recht keiner des staatlich-institutionalisierten Religionsunterrichts, und schon gar keiner von pseudo-säkularen Organisationen, die ihr Glaubensbekenntnis noch im Parteinamen vor sich hertragen (man stelle sich nur das Äquivalent und den entsprechenden Aufschrei vor).

Mehr als nur eine hochgezogene Augenbraue hat heute aber der Bericht in der FR bei mir ausgelöst:

"Die hessische Kultusministerin Karin Wolff (CDU) plädiert dafür, die christliche Schöpfungslehre an den Schulen auch im Biologieunterricht zu behandeln."
"Ich halte es für sinnvoll, fächerübergreifende und -verbindende Fragestellungen aufzuwerfen", sagte Wolff, "so dass man nicht einfach Schüler in Biologie mit Evolutionslehre konfrontiert und Schüler im Religionsunterricht mit der Schöpfungslehre der Bibel. Sondern dass man auch schaut, ob es Gegensätze oder Konvergenzen gibt."
Soweit zu den hehren Zielen.

Fächerübergreifende und -verbindende Fragestellungen, wer von sowas allein noch träumt, hat irgendeinen Knall nicht gehört. Dazu fehlt nebst Personal schlicht die Zeit. Aber gut, gesetzt den Fall, es sei machbar.

Wie, um Himmels (!) Willen, kommt man mit dem Vorsatz auf die Idee, weltanschauliche Thesen in naturwissenschaftliche Lehrpläne einzubinden. Und die Aufweichung durch dieses "Entweder so - Oder aber auch so" noch als sinnvolle Fragestellungen zu verkaufen.

Ich habe noch nie verstanden, warum konfessioneller Unterricht ins Pflichtprogramm der Schule gehört und nicht in die Kür. Wenn 's unsere ach so tolle Kultur ist, sollte es ohne die Zwangsunterstützung auskommen. Das aber noch auszuweiten, noch mehr Inhalte - die nun wirklich nichts mit der kulturellen Komponente zu tun haben - in andere Fächer ausstreuen zu wollen - ich kann 's nicht ändern, mir fehlen die Worte.

7.10.06

1. wetterinduzierter Depressionsanflug

Es ist kalt. Nein nein, ich meine nicht "kühl", oder "frisch" oder "herbstlich", mir ist es rat-ten-kalt. Das hat nur unwesentlich damit zu tun, dass die Heizung hier erst seit zwei Tagen wieder geht, und der amtliche Wind-Chill von 5° trifft es auch nicht.
14,1° am Balkon, gefühlte -12°, amtliche asynchrone Wettermeldung.

Was macht man dann schon an so einem Tag --> mit schlechtem Gewissen bei lauen Temperaturen die Heizungen hochfahren. Erkältung kann ich leider aus Termingründen grade überhaupt nicht brauchen. Dazu statt zu tun was ich müsste einmal mehr in die tiefsten Abgründe des Internets herabsteigen: Nachrichten und Foren.

Und dann: Verzweifeln an der Welt, wo die Blöden so viel zu laut sind, wo Politiker-Nachnamen zu Masseinheiten für Pannen schon längst geworden sind. Neue Umnutzungen: Masseinheiten für dummes Dahergelabere und Inkompetenz.
Verzweifeln an einer (Online-)Welt, wo jeder Furz zum sozial- und damit auch finanzpolitischen Thema aufgeblasen wird, von Forenschreibern mit keinen zwei Dutzend Beiträgen, Fakes also höchstwahrscheinlich.

Wer macht solche Fakes? Die Frage stellt sich, woher sollte soviel geistige Diarrhoe schon kommen? Wer hat es nötig, mit solcher brachialer Übermachtsgewalt "Volkes Stimme" zu simulieren?

Oder begeht hier ein Misanthrop einen antropophilen Irrtum und die Verblendung ist wirklich schon soweit fortgeschritten? Dann Gnade uns allen und Hoffnung darein gesetzt, dass dieses internetbevölkernde Pack mengenmäßig nicht viel hermachen kann.

Ach wie man 's auch dreht und wendet, die Lage bleibt fatal. Da reift in einem der Drang, beim morgendlichen Bus- und U-Bahn-Fahren kurz vor der Ausstiegsstelle Kurzproklamationen abzuhalten und wider den Medientenor anzupredigen; oder mehr noch ... Gesellschaftsguerilla, ja!

Und dazu spu(c)kt mir ein Zitat im Kopf herum, von dem ich nur noch vermute, dass ich es mal in einem Handke fand. "Mir läuft das Wasser im Mund zusammen: Ich sehe eine Leiche," summe dabei fröhlich Zeter und Mordio und hoffe auf die sanfte Wirklichkeit (*)

Hoffentlich ist mir morgen wieder wärmer ...


(*)
zugegeben, ich hab das als Ganzes während des Schreibens gefunden. Es ist in der Tat Handke und alles aus einem einzigen Gedicht.